Leserbrief

(Christian Hennig)

Sollten die Kommentare des Herausgebers hier etwas unfreundlich klingen, bittet selbiger im Voraus dafür die Leser und vor allem den Verfasser des Leserbriefs um Nachsicht.

Wider die Regelkonvergenz

Wie wird sie denn aussehen, die heißersehnte "allgemeine deutsche United-Referenzregel"? Ich sag's Euch: Sie wird 114 Seiten haben, 31622 Zahlen enthalten, 314 Formulierungen des Kalibers "Stehen sich im Elfmeterschießen zwei nichteingespielte Torwarttalente gegenüber, so wird von beiden Teams der stärkste Spieler mit 1/3 seiner Stärkepunkte (abgerundet) ins Tor gestellt. Falls beide dann Stärke 0 haben, wird ..." und schlimmer werden uns dann entgegenlachen, jeder Regel wird auf durchschnittlich 7.2 verzeichnete Sonderfälle kommen und jeder GM wird jeden noch so exotischen Fall regeln können, vorausgesetzt, er wacht nach der Regellektüre wieder auf.

Warum denn so viel Panik? Ich kann Deine offenbar grenzenlose Angst überhaupt nicht begreifen.

Ich sehe überhaupt nichts, was an 114 Seiten (wie sind die durch 4 teilbar?) auch nur im Entferntesten herankommen könnte. Mike Mertens Regel enthält schon ein paar Dinge, die ich nicht mehr als United-Basisregel bezeichnen würde (z. B. die komplette RWP-Komponente). Die RWP-Theorie soll in eine Regel, die schließlich von allen GMs der United-Szene verstanden und akzeptiert werden sollte, bestimmt nicht hinein. Also würde die Referenzregel vermutlich kürzer als Mikes Hausregel - kein Wunder, denn die jeweiligen Hausregeln sollten ja wohl lauten: "Es gelten die allgemeinen ... mit folgenden Zusätzen bzw. Änderungen".

Außerdem will ich ja nicht neue Regeln erfinden, damit der Umfang des Gesamtwerkes größer wird, sondern ich will eine 2-Zeilen-Regel erfinden, die an 10 Stellen verwendet werden kann und folglich 10 andere Regeln um jeweils mindestens eine Zeile kürzer macht. Beispiel: "In jedem Fall, in dem ein nicht ganzzahliges Ergebnis beliebiger Art entsteht, wird der zu bestimmende Wert sofort auf die nächste ganze Zahl gerundet." Lieber einen solchen Satz einmal, als in jedem Absatz wieder ein Rundungsverfahren definieren!

Der Umfang einer Regel hat bestimmt nichts mit der Beliebtheit und Akzeptanz eines Spieles zu tun. Das Gilgamesch-Regelbuch hat einen Umfang von 172 Seiten, kostet 20 Mark plus Szenarien und entwickelt sich dennoch zu einem der beliebtesten Spiele der Szene - man bedenke, wie jung es noch ist! Ich habe Züge von Spielern erlebt, die in einer halben Stunde (das ist wohl die Untergrenze) angefertigt worden sind, aber auch in vielen Stunden ausgedachte komplexe Kombinationen von mehreren Dutzend Spielsteinen, bei denen eine Fülle von Eventualitäten und Regeltricks berücksichtigt wurden. Wer eine Regel nicht komplett lesen will, der liest eben nur das Nötigste - egal, wie viel in der Regel tatsächlich drin steht. (Und bei Gilgamesch steht ganz schön viel drin! Da habe ich das Glück gehabt, dem Erfinder von Beginn an meine Denkweise verkauft zu haben.)

Nichts gegen genaue Analyse von Regelauswirkungen. Aber eine Regel, wie sie Dir (glaube ich) vorschwebt, wird eine ganze Reihe von Einsteigern (nicht nur potenzielle Dropouts, sondern auch welche, die viel Spaß an der Sache hätten, wenn sie sie nicht so ernst nehmen müßten) von United abhalten. Man will doch eine Regel haben, bei der man in vertretbarer Zeit erfährt, was eigentlich zu tun ist und was man wissen muß, um einfach loszuspielen. Ich sehe die Gefahr, daß diese Dinge in Eurem (Deinem?) Projekt unter den Details begraben werden.

Daß ausgerechnet der Erfinder von Lew Jaschin darüber jammert, daß die United-Basisregel nicht mehr mit den 8 Seiten von United3 auskommen wird, wundert mich außerordentlich. Welche Zielgruppe willst Du denn mit Lew Jaschin ansprechen, wenn Du glaubst, der durchschnittliche Postspieler breche schon bei meiner United-Regel (zusammen)?

Wieviele Minuten würdest Du für eine ausreichende Lektüre der Regeln bis zum "Losspielen" veranschlagen? Reicht einmal durchlesen, um ein Team aufzubauen? Die Einstellung, die Du an den Tag legst, ist genau diejenige, die zu den großartigen Erstaufbauten mit T 5, A 5, lauter Feldspielern Stufe 4 und keinem Talent führt, was nie wieder zu reparieren ist und nicht nur dem Manager, sondern auch dem GM heiße Tränen in die Augen treibt. Wenn eine komplizierte Regel dies verhindern kann, dann bin ich um so mehr dafür!

Joachim Jahnels 8-Seiten-Regel mag nicht hieb- und stichfest sein, aber unter diesem Gesichtspunkt ist sie die beste, die ich kenne.

Um die Lesbarkeit dennoch zu erhöhen, schwebt mir allerdings eine Art 'Färbung' der Regel vor. Jedes Regelelement könnte (z. B. in zwei Schriftarten) aus 'Erklärungen' und 'Interpretationen' bestehen. Dabei kann ich mir ganz gut vorstellen, daß ein Neuling zunächst nur die Erklärungen lesen kann, bevor er sich ans 'Kleingedruckte' macht. Letzteres braucht auch vor allem der GM, während der Manager diesen Teil der Regeln nur als Wissens-Reserve verstehen wird, die es ihm ersparen soll, notfalls den GM anzurufen (und dem GM, wilde Phantasien aus dem Ärmel zu schütteln, die anschließend nicht funktionieren). Der Erklärungsteil müßte meiner Meinung nach nicht einmal wesentlich umfangreicher sein als United3 - vielleicht reicht es schon, den dort beschriebenen Regelumfang nach didaktischer Neuformulierung zu verwenden. Joachim Jahnels Regelfassung ist ja nicht etwa völlig unbrauchbar - als Teilmenge für eine vollständigere Regelfassung, die nicht nur Dir, sondern auch mir (und ein paar anderen ...) gefällt, wäre sie (da praktisch identisch zu United3) durchaus zu gebrauchen. Auch der Interpretationsteil muß nicht unbedingt jede Einzelheit z. B. der NMR-Regel bis zum letzten Würfelwurf enthalten - viel wichtiger ist es, daß der GM auf ein paar Fragen aufmerksam wird, die er nach United3-Lektüre nicht einmal verstehen, geschweige denn beanworten könnte.

Wenn ich mir den zweiten Teil Deines Briefes ansehe, dann ist die Jahnel-Regel allerdings das Schlimmste, was Dir passieren konnte. Wenn Du in jedem Spiel immer nur das vordergründig Naheliegende tun willst, dann wirst Du viele Pleiten erleben und (viel schlimmer) die eigentliche Idee vieler Spiele nicht verstehen. Was macht Dir denn eigentlich Spaß an einem Spiel, wenn Du immer gleich alles fertig vorgekaut bekommen willst, statt selbst auf die richtige Idee zu kommen?

Wie dem auch sei: Ich kann Deine unbestimmten Ängste nur so lange verstehen, wie sie auf Unwissenheit dessen beruhen, was ich eigentlich will. Über den Umfang und die Detailtreue mache ich mir derzeit überhaupt keine Sorgen - eine geeignete Darstellungsform, die jedem Leser entgegenkommen kann, wird sich schon finden lassen (siehe meinen Vorschlag oben - weitere Ideen sind immer willkommen!).

Problematisch erscheint es mir eher, zu klären, was bei bestimmten Regelteilen, die zwischen den Ligasystemen deutlich divergieren, drinstehen soll. Hierbei fallen mir spontan die Härteregel und die Definition des Ausputzers ein. In beiden Bereichen stehe ich vor den vollendeten Tatsachen, daß es inzwischen einfach keine einheitliche Norm mehr gibt - es ist also zu befürchten, daß ggf. beide Regelversionen aufgenommen werden müßten. Um dennoch die Lesbarkeit hoch zu halten, würde ich vorschlagen, jeweils eine der beiden Versionen in den Text zu integrieren und die andere als Variante in den (hoffentlich nicht zu umfangreichen) Anhang zu plazieren. In Sachen Härte erscheint es mir klar, daß die United3-Regel den Anspruch besitzt, als Original zu gelten - die Oberfoul-Härteregel ist eine Alternative hierzu, die eine eigene Terminologie benötigt. Anders sieht es in Sachen Ausputzer aus: Ich würde gerne die Oberfoul-Definition als Standard-Text haben, weil man United3 elegant als Variante beschrieben kann: Zusätzlich zu allem, was in Oberfoul gilt, hat der A die Fähigkeit, wie ein V zu agieren, und kann dafür die V-Qualifikation nicht ... oder etwa doch? Hier bitte ich die entsprechenden Leute (Mike Merten, Dietmar Pfohl, ...), die unbedingt die A=V-Linie vertreten, mir eine allgemein anerkannte Regelung zu präsentieren, welche ich dann natürlich in die Referenzregel aufnehmen will. Das Oberfoul-Konzept ist vollständig, widerspruchsfrei und in allen Oberfoul-Systemen einheitlich - wenn ich dies vom United3-Konzept auch sagen könnte, dann fiele mir ein Stein vom Herzen. Geht doch mal mit dem Hut in den United3-Systemen 'rum und sammelt Auslegungen - welche Fragen ich zum A-Komplex zu stellen habe, dürfte ja inzwischen bekannt sein.

Computer sind doof

Erst mal muß ich den Knoten aus der Tastatur meines beleidigten ATARI falten, bevor ich weiter tippen kann.

Zumindest, wenn es sich um die Korrektur von Verstößen gegen die 3:1-Regel geht. Besser gesagt: Die von Deinem Computer praktizierte Regelung (die unangenehmerweise die allgemein gebräuchliche United-Regelung ist), nämlich das Wegstreichen überzähliger Punkte, paßt mir nicht.

Ständig reiben mir die Kritiker unter die Nase, daß Oberfoul zu United3 inkompatibel sei und daß ich angeblich Regeländerungen erfinden würde, um dem Rechenknecht die Arbeit leichter zu machen. Und wenn ich hundertprozentig die United3-Regel übernehme, dann ist es Dir anscheinend auch nicht recht.

Stell Dir mal das Geschrei vor, wenn ich (selbstherrlich) eine automatische Reparaturfunktion erfinden und in United/XY einbauen würde - was allen Ligasystemen Deutschlands (außer dem von Andre Bronswijk) widersprechen würde!

Begründung: Diese Regel stellt keine regelkonforme Aufstellung her, sondern macht aus einem Fehler zwei, nämlich einen Aufstellungs- und einen Rechenfehler. Beispiel: Ich will Sturm spielen und stelle ohne Umstellungen 16-16-49 auf. Wollte ich regelkonform stürmen, müßte ich Spieler umstellen und es käme, sagen wir mal, 16-17-45 heraus. Die Regel macht 16-16-48 aus obiger Aufstellung, was wesentlich besser ist. Mit anderen Worten: Der Manager, der hier gegen die Regel aufstellt, verschafft sich aufgrund der merkwürdigen Korrekturregel einen Vorteil.

Ich denke, daß so etwas in einer guten Regel nicht sein darf. Schließlich benachteiligt man damit Leute, die sich zur Freude des GMs und aller anderen Beteiligten (nicht zuletzt des Gegners, der z. B. bei TDD genau ausrechnen kann, daß er höchstens mit einem 45er Sturm rechnen muß) an die Regeln halten.

Die 3:1-Regel ist eine Regel, wie jeder andere auch. Sie ist kein Verbot, dessen Übertretung einen Sündenfall bedeutet, sondern eine Definition, die für bestimmte Aktionen des Managers bestimmte Konsequenzen verkündet.

Die Regel sagt aus, daß man nur maximal das Dreifache seiner schwächsten Feldreihe effektiv nutzen kann, wieviel man auch immer in eine Reihe stellen mag. Du dagegen heulst derartig los, als würden gleich die Worte "Betrug" und "Unfair" fallen, bloß weil Dein Gegner die Regeln verstanden hat und Du selbst - nach eigenem Eingeständnis - nicht. Genauso polemisch könnte ich sagen: "Die 3:1-Regel erlaubt einem pfiffigen Manager, seine Möglichkeiten voll auszureizen, während ein unfähiger Versager dies nicht hinbekommt. Einfach großartig!" Der Manager, der 16-16-49 aufstellt, hält sich genau wie Du an die Regeln - und er wird bestimmt nicht darüber jammern, daß der GM ihm den 49. WP aus seinem Sturm streicht. Soll ich mich noch mehr aufregen? Ich glaube, es ist klar, was ich meine.

Nebenbei ist die obige Situation aus meinem Spielerleben gegriffen. Ich habe damals idiotischerweise regelkonform gespielt, weil mir obiger Effekt noch nicht aufgefallen ist.

Daß jemandem eine Regel nicht gefällt, mag ein Grund sein, eine Variante zu erfinden (hat er ja auch) - aber was kann mein armer, unschuldiger Kleinrechner dafür? Fast alle GMs Deutschlands sind sich hier (ausnahmsweise) einig - aber natürlich ist mein Computer schuld! Das Schöne an der 3:1-Regel ist doch gerade, daß man eben auch den beschriebenen Fall betrachten muß. Meistens ist es ja schlechter, WP zu opfern, aber in Ausnahmefällen kann es auch mal gut sein.

Mir ist allerdings klar geworden, daß Du offenbar einen Schuldigen für Deine eigene Unfähigkeit suchst. Aber anscheinend hast Du ja inzwischen begriffen, wie United funktioniert, und denkst über Deine nächste Aufstellung besser nach? Dein letzter Satz klingt nach dem Willen zur Besserung. Bitte behaupte nie wieder, eine Regel sei unfair, bloß weil Du sie nicht verstanden hast!