Leserbrief

(Andre Meisen)

Jetzt drängt es auch mich, einige Worte über das Phänomen United zu verlieren. Ich gehöre zu denen, die United noch nicht lange spielen. Trotzdem bin ich dem Reiz dieses Spiels bereits erlegen.

Vor einem halben Jahr bin ich durch Zufall auf die Postspielszene aufmerksam geworden und habe mir eine Probeexemplar des Amtsblatts besorgt. Um etwas mehr Einblick zu bekommen, habe ich es dann auch gleich abonniert. Die United-Saison neigte sich dem Ende zu und ich fing an, mir eine Mannschaft für das Qualifikationsturnier zusammenzubasteln. Basteln ist der richtige Ausdruck, denn als totaler Neuling fiel es mir schwer, die Folgen meines Handelns auch nur einigermaßen abzuschätzen. Ich will es mal ganz grob mit Schach vergleichen: wenn ich weiß, wie die Figuren gezogen werden, dann heißt das noch lange nicht, daß ich auch Schach spielen kann. So ungefähr kam ich mir vor, als ich so langsam meine Mannschaft kreierte.

Kurz gesagt, ich habe die Qualifikation geschafft und habe mir gleich eine blutige Nase in der 2. Liga B geholt: 0:4 Punkte und Pokal-k.o., in der 1. Runde kein einziges Tor geschossen.

Ich nehme an, Du weißt inzwischen, woran das lag?

Mittlerweile beherrsche ich das Ganze schon etwas besser, aber ich bin weit davon entfernt, das Spiel in allen seinen Feinheiten zu beherrschen. Vermutlich werde ich noch eine ganze Weile damit zu tun haben, meine Anfangsfehler wieder auszubügeln und dabei die nächsten Fehler machen, die dann wieder ausgebügelt werden müssen usw.

Da kann ich Dir Mut machen: Seit Deiner 3. eingereichten Aufbau-Anweisung waren Deine Anweisungen praktisch tadellos. Wenn Du nun noch ein lebensfähiges, langfristiges Konzept für Deine Hintermannschaft entwickelst, dann bist Du drin im Club der etablierten United-Freaks. Die nächste Saison wird aber nicht leichter werden als die vergangene!

Für mich liegt der Reiz von United darin, daß eine Fülle von Entscheidungen mit teilweise unterschiedlichen Zielen gleichzeitig getroffen werden müssen (aktuelles Spiel gewinnen, Talente einspielen, Mehrfachqualifikationen, Spielerhandel usw.), wobei immer wieder Zielkonflikte auftreten, die ich irgendwie bewältigen muß. Ich kann in einem entscheidenden Spiel gegen den Abstieg eben nicht wie verrückt Mehrfachqualifikationen sammeln, wenn ich das Spiel unbedingt gewinnen muß.

Tja, und dann kommt noch das Würfelglück dazu. Mit diesem Restrisiko kann ich sehr gut leben, eröffnet es mir doch die Möglichkeit, bei eigener schlechter Planung dem Würfel die Schuld zu geben ...

Das deckt sich sehr gut mit meiner eigenen Einstellung: Die (von mir) sogenannten trade-off-Spiele gefallen mir einfach am besten. Dazu zähle ich neben United (mit dem trade-off junge gegen starke Spieler) vor allem Kapitalisten-Diplomacy (mit dem trade-off optimale Börsenzüge gegen spielentscheidende Länderkontrollen) und 1830 (mit dem trade-off optimaler Aktienkäufe gegen das Risiko, plötzlich Direktor einer toten Gesellschaft zu werden).
Alle diese Spiele haben zudem eine strategische wie eine taktische Ebene: bei United das langfristige Management gegenüber der konkreten Aufstellung für ein Spiel, bei KapDip die globale Festlegung auf Währungen gegenüber der Detail-Arbeit bei Militär- und Börsenzügen, bei 1830 das Pokern auf Spielende durch Bankrott oder Kassenende oder die Wahl eines Direktors gegenüber dem Kauf einzelner Aktien oder dem Bau einzelner Streckenteile.
Und alle diese Spiele sind komplex genug, eine eigene Wissenschaft für sich zu sein. Bei United erleben wir dies ja gerade, bei 1830 gibt es eine echte Eröffnungstheorie, nur bei KapDip scheint niemand systematische Analysen vorzunehmen (und ich werde mich hüten, zu erzählen, wieso ich in Essen so heftig gewonnen habe).

United enthält als einziges dieser drei Spiele ein Würfel-Element; bei 1830 ist der Ausgang des Spieles furchtbar abhängig von Kamikazeaktionen chancenloser Konkurrenten. Daher halte ich KapDip für das stabilste dieser Spiele, in dem vermutlich wirklich der beste Spieler am ehesten gewinnen wird. Daher macht es mir dort auch am meisten Spaß, über meine Züge nachzudenken (in entscheidenden Positionen über jedem Zug mehrere Stunden!), während ich 1830 per Post gar nicht spiele (zu viele sinnlose Bedingungen) und United derzeit mit der linken Hand - seit in den Ligasystemen, in denen ich spiele, praktisch keine Regellücken mehr existieren, gibt es dort auch fast keine genialen Coups mehr, sondern nur noch Kleinarbeit.