Was an United so toll ist

Ein sehr subjektiver Artikel

(Christian Hennig)

Die Fragestellung habe ich aus Michaels Artikel Sing Sing und die Folgen der letzten Ausgabe entwendet. Ich versuche einfach mal, die Dinge, die für mich den Ausschlag geben, mich für United zu begeistern, auf den Punkt zu bringen, inklusive einiger Folgerungen, die ich daraus ziehe.

Zuerst einmal ist United als Fußballsimulation an sich schon interessant. Unter United-Spieler&innen gibt es doch eine ganze Reihe Fußballfans. Abgesehen von sportlichen Gründen liegt das für mich daran, daß Fußball relativ spannend ist, soll heißen, es ist im Vergleich zu z. B. Basket- oder Volleyball schwierig möglich, Fußballergebnisse vorherzusagen. Außerdem hat eine Bundesligasaison eine 'Dramaturgie', mit der z. B. das Weltranglisten- und Turnierwesen im Tennis nicht mithalten kann. Dazu übt das gesamte Tabellen- und Wertungssystem des Sports auf Leute, die in irgend einer Weise an Zahlen interessiert sind (genau wie Spiele allgemein) einen seltsamen Reiz aus. Man beachte nur den Riesenerfolg, den Andre Bronswyk mit seinem United-Omega in der Dortmunder Statistik-Fachschaft hatte.

Ich persönlich kam nicht als leidenschaftlicher Spieler (der ich höchstens zum Teil bin), sondern eigentlich als Fußballfan an United. Das Spielen von Simulationsspielen ist eigentlich auch immer eine Sache von Leuten, die irgendwie vom Original fasziniert sind, aber am Original (aus meistens ziemlich einleuchtenden Gründen wie z. B. Unsportlichkeit) nicht teilnehmen können und sich gleichzeitig nicht gern mit einer passiven Zuschauerrolle abgeben.

United erfüllt eine Reihe von Anforderungen an eine Fußballsimulation am Besten, es ist nämlich recht komplex und realitätsorientiert (im Gegensatz zu Manipuliga), andererseits aber doch recht einfach spielbar (im Gegensatz zu Soccer League). Außerdem hat es einen Teil, nämlich den Spielmechanismus, der isoliert betrachtet als Spiel schon wieder reizvoll ist, denn es erfüllt gleichzeitig eine Vielzahl von Bedingungen für ein gutes Spiel:

Wenn Michael wie im letzten Heft das Management als "viel interessanteren" Teil von United bezeichnet, tut er dem Spielmechanismus in meinen Augen Unrecht. Ich GMe derzeit an der Hamburger Uni eine Art erweitertes Turnited-Turnier, und der irre United-Gesichtsausdruck, mit dem mir die Manager&innen dabei die Auswertungszettel aus den Händen reißen, spricht manchmal Bände. Auch im normalen United, so behaupte ich mal, ist die Frage "Wie habe ich gespielt?" immer interessanter als "Hatte mein Gebot auf den V II 8 Erfolg?". Nebenbei: Kaum ein komplexeres Simulationsspiel verfügt über einen derart genialen Mechanismus. Die Mischung von Glück, Verstand und Intuition für die Gedankengänge des Gegners ist einzigartig und ähnelt in ihren Auswirkungen stark an die Mischung aus portlichem Können, Glück, Taktik und Tagesform im wirklichen Fußball. Daher muß ich G.-M. Merten auch zustimmen: Michael kann hundertmal abfällig gegen "zitternde GMs" polemisieren: Ob nun in einem bestimmten Spiel eine herausragende Verstandesleistung vorliegt oder nicht, die Spannung einzelner Spiele macht einen Großteil der United-Atmosphäre aus, es ist doch nicht egal, ob ein Spiel 5:4 oder 9:1 ausgeht.

Was das Management angeht, so fällt sein Reiz mehr in den Bereich der Simulation (da die Manager&innen wie im richtigen Leben für den Langzeiterfolg ihrer Vereine zu sorgen haben). Rein spieltechnisch lebt das Management von der Komplexität mehr als von der Genialität, mit reiner Gehirnakrobatik ist allemal mehr auszurichten als mit Intuition.

Ein weiterer Vorzug ist, daß (auch hier in Parallelität zum wirklichen Fußball) United als Endlosspiel mit unterschiedlichen Zielsetzungen zu spielen ist. Ob die eizelnen Spieler&innen mehr Akzente auf langfristigen soliden Mannschaftsaufbau, auf schnellen Erfolg, auf viel Geld in den Taschen oder auf den Erfolg in diversen Prestigeduellen und Privatfehden (ich setze gegen mir bekannte Manager&innen mit Freude mehr Härte ein) setzen, ist ihnen überlassen. Keine Regel gibt vor, was hier 'besser' ist. Hierin liegt allerdings auch das Hauptproblem bei der Geschichte.

Die 'Abweichungen vom normalen Weg, United zu spielen' bestehen zum einen in unorthodoxen Spielzielen (Meisterschaft ohne jede Rücksicht auf das weitere Überleben des Teams), zum anderen in unorthodoxen, weil United-, aber nicht Fußball-gemäßen Methoden, Ziele zu erreichen. Da United eine Fußballsimulation und, wie ich oben begründet habe, insbesondere als solche interessant ist, halte ich es für nötig, das unfußballerische Verhalten einzuschränken.

Nun kann man sich natürlich darüber streiten, was 'unfußballerisch' ist. Ein Team wie Sing Sing hätte auch von einem gutwilligen Neumanager geführt werden können, d. h. aus der Simulation übersetzt: Ein unfähiges erfolgsgeiles Management könnte mit viel Kohle in der Bundesliga ähnliches erreichen. Nur: United-Manager&innen können gleichzeitig mehrere Teams haben und eines völlig 'gewissenlos' zugrunde richten.

Weiteres Beispiel: Das 'Talente einspielen' an sich ist vielleicht nicht unfußballerisch, sehr wohl aber der Durchmarsch von Vereinen mit null Punkten ans Tabellenende und die nachfolgende Möglichkeit, wie Phoenix aus der Asche wieder aufzusteigen, denn ein realer 'Bargeldverein' würde in einer Saison so viel Kredit bei den Fans verlieren, daß er über Jahre am Hungertuch nagen müßte.

Noch'n Beispiel: Kein echter Bundesligaverein würde als "Sanierer seiner privaten Clique" zweimal absteigen wollen; ein Zombieverein zur Unterstützung anderer wäre (da es um wirkliches Geld geht) nicht finanzierbar.

Natürlich darf man in solchen Fällen nicht nur an die Selbstzensur der Manager&innen appellieren. Solange unfußballerisches Spielen erfolglos ist, stört es sowieso niemanden. Kritisch wird es dann, wenn vernünftig planende Spieler&innen durch solche Praktiken um ihren schwer verdienten Erfolg gebracht werden. Auch hier, meine ich, sind die Regeln gefragt: United besteht aus seinem Regelsystem. Regelkonformes Handeln kann nicht "zum Kotzen" sein, ein durch den eigenen Spielausstieg bedingtes Destruktivspiel schon eher. Also, natürlich: Bekannte Möglichkeiten ds unfußballerischen Handelns müssen nach und nach von den Regeln verboten werden. So wir uns darüber einig sind, daß das 'Modell Sing Sing' nicht wünschenswert ist, müssen wie uns Gedanken darüber machen, wie man so etwas unterbinden kann. Michael gebührt das Verdienst, nachdrücklich darauf hingewiesen zu haben; andererseits wäre natürlich der reine Hinweis auf solche Praktiken 'verantwortungsvoller' gewesen.

Wie man oben lesen kann, bin ich mir selber auch gar nicht im Klaren darüber, ob alles 'nichtfußballerische Handeln' überhaupt vernünftig verboten werden kann, ohne der Spielbarkeit erheblichen Schaden zuzufügen. Also doch Selbstzensur?