Härte - der große Rundumschlag

(Michael Schröpl)

Einleitung

Im letzten Heft habe ich das Verfahren, nach dem in einem Oberfoul-Ligasystem die Härte-Folgen für die beteiligten Teams ausgewertet werden, ausführlich dargestellt. Anders als in United3 bekommt der Leser dadurch jedoch kein Gefühl dafür, mit wievielen Roten Karten sein Team bei einer bestimmten Anzahl von Härtepunkten rechnen muß, mit welcher Wahrscheinlichkeit solche Ereignisse eintreten usw.
Im folgenden Artikel will ich versuchen, eine Abschätzung vorzunehmen, um Näherungswerte für diese Zahlen zu gewinnen. Dabei will ich die tatsächliche Formel an mehreren Stellen unterschiedlich stark vereinfachen. Die Ergebnisse der Analyse hängen eventuell stark von diesen Vereinfachungen ab; jeder begründete Einwand eines Lesers gegen meine Annahmen wäre also sehr hilfreich für weitere Ansätze.

Modellbildung

Die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Spieler von einer einzelnen Strafe getroffen wird, ist in der exakten Formel abhängig von der Verteilung der Härtepunkte auf die einzelnen Reihen der Mannschaft. Dies macht eine genaue Analyse sehr umständlich. Daher will ich bei meinen Betrachtungen diesen Punkt vorläufig außer acht lassen und annehmen, daß alle 10 Feldspieler mit derselben Wahrscheinlichkeit von Strafen betroffen werden, der Torwart dagegen nie. Sollte ich irgendwann die Zeit dazu finden, dann werde ich in einem zweiten Ansatz ausprobieren, wie sehr sich die Zahlen ändern, wenn Härte nur genau in der starke Feldreihe der Mannschaft (mit 5 Spielern) eingesetzt wird.

Diese Annahme verbessert den Effekt von Härte geringfügig. Könnte auch der Torwart bestraft werden, dann wären im Schnitt ca. 10% mehr WP von der Gefahr einer Roten Karte betroffen, obwohl sich die Karten ein bißchen besser verteilen. Die Gleichverteilung der Wahrscheinlichkeiten für alle Spiele mildern die Härte-Effekte ebenfalls ein bißchen ab - vermutlich aber nicht viel.

Außerdem hängen die gesuchten Werte immer noch davon ab, wie die konkrete DI-Matrix des Ligasystems aussieht. Dieses Problem kann ich allerdings dadurch umgehen, daß ich die zu erwartenden Härte-Effekte zunächst nur in Abhängigkeit von der Anzahl der Strafen beschreibe, die gegen ein Team verhängt werden. Am Ende der Überlegungen werde ich diese Werte mit einer existierenden DI-Matrix kombinieren.

Verteilung von Oberfoul-Strafen auf Karten-Kombinationen

Damit soll's genug sein des Materials (wir müssen es ja auch noch auswerten). Die derzeit am weitesten verbreitete Oberfoul-DI-Matrix enthält ja auch keine Einträge mit mehr als 6 Strafen - früher ging das bis 8 hinauf, und da fließt dann wohl das Blut in Strömen.

Bestimmung der Maßeinheit

Prinzipiell könnte man nun für jede Kombination der Anzahlen von Gelben und Roten Karten nach United3 eine Tabelle aufstellen und die entsprechenden Zahlen mit denen von Oberfoul vergleichen. Dies würde der Sache aber nicht gerecht werden, da bestimmte Felder dieser Tabelle in Oberfoul immer leer sein werden. Wollen wir also die Auswirkungen beider Härte-Regeln vergleichen, dann müssen wir dafür signifikante Kenngrößen festlegen.

Einerseits bietet sich da die Wahrscheinlichkeit an, daß ein Team ohne Platzverweis davonkommt. Eine Rote Karte kann eine Aufstellung völlig zerstückeln, sie kann aber auch fast spurlos an der Mannschaft vorübergehen. Das hat nicht nur mit dem Zeitpunkt des Platzverweises etwas zu tun: Wenn Team A mit 10-10-18-18-54 gegen Team B mit 10-10-30-45-15 spielt, dann kostet den Manager von A der Platzverweis für seinen V I 10 ein müdes Lächeln, auch wenn er in der 1. Minute passiert - im laufenden Spiel wäre ein Elfmeter wesentlich schlimmer gewesen.

Eine zweite Kenngröße wäre der Erwartungswert an Roten bzw. Gelben Karten pro Spiel; mit einer geeigneten mittleren Spielerstärke multipliziert käme man da sogar auf die mittleren WP-Kosten pro Spiel und könnte bestimmen, wie sehr sich der Einsatz von Härte überhaupt in 'zusätzlichen' WP bemerkbar macht. Dieses Pärchen von Erwartungswerten ist in United3 ganz simpel zu bestimmen, in Oberfoul müssen wir die Teile aus dem bisherigen Zahlensalat herausklauben. Diesen Wert werde ich als Maßstab für die 'Strenge' der beiden Härteregeln heranziehen. Dabei muß man wohl zwischen dem kurzfristigen Schaden im laufenden Spiel und dem langfristigen Schaden durch die Gelben Karten unterscheiden; es wäre nicht verwunderlich, wenn bei dem einen Effekt die eine Härteregel strenger wäre, bei dem anderen Effekt aber die andere Härteregel.

Ich weise die Leser ausdrücklich darauf hin, daß es noch andere Kenngrößen geben könnte, die man aufgrund des hier erarbeiteten Zahlenmaterials messen könnte. Wer findet eine, die Sinn macht?

Auswertung der Oberfoul-Zahlen

Auch hier müssen wir wieder nach den einzelnen Strafen trennen.

Nun tragen wir das alles in eine schöne Tabelle ein:

Oberfoul: Karten pro Strafe
Strafen:123456
EW (Rot):0.0000.1000.2800.5230.8151.143
EW (Gelb):1.0001.8002.4302.9163.2813.543

Was kann man grundsätzlich über diese Werte sagen? Betrachtet man die Verhältnisse zwischen Rot und Gelb in den einzelnen Spalten, dann sieht man sofort, daß bei wenigen Strafen fast nur Gelbe Karten verhängt werden. Bei drei Strafen ist jede 10. Karte Rot, bei vier Strafen jede 7. Karte, bei 5 Strafen schon jede fünfte Karte (genau wie bei United3), bei 6 Strafen sogar jede vierte Karte!
Ein Blick auf die Abstände der Werte zwischen zwei benachbarten Spalten zeigt: Die Anzahl der Gelben Karten nimmt nur noch langsam zu - bei mehr Strafen wird es immer schwieriger für den Schiedsrichter, alle Karten gleichmäßig zu verteilen.

Kurze Abschweifung zu meiner These bezüglich der Rolle von Härte: Nach diesen Zahlen zu urteilen sollte man als 'Realo' tunlichst bei 2-3 Strafen pro Spiel bleiben, um nur durch jede 10.-20. Karte einen Spieler zu verlieren, wie dies in der Bundesliga ja ein normaler Schnitt zu sein scheint. Wir werden nachher in der DI-Matrix suchen müssen, welche Bereiche diese Bedingung erfüllen.

Ein Blick auf die andere Seite

Aber wir reden schon seit Stunden immer von Karten pro Strafen - damit kann der United3-Theoretiker (gibt's den eigentlich?) gar nichts anfangen, der kennt nur Karten pro eingesetzte Härtepunkte, was man auch leicht ausrechnen kann. Ich gehe im übrigen (da auch die United3-Formel nicht völlig unabhängig von der Verteilung der Härtepunkte ist) auch auf dieser Seite davon aus, daß der Torwart seine schlechte Laune nicht am Gegner abzureagieren gedenkt - sprich: Auch hier verteile ich die Disziplinarmaßnahmen nur auf die 10 übrigen Spieler. Wie wollen doch mal annehmen, das Team habe wirklich 11 Mann auf den Platz gestellt, auch wenn das in United3 nicht zwingend erforderlich zu sein scheint ...

Zur Entspannung bestimmen wir erst einmal die Erwartungswerte für Karten pro Härtepunkte bei United3 - beginnen wir mit den Roten Karten. Jeder betroffene Spieler hat eine Chance von 0.75% mal der Anzahl der von seinem Team eingesetzten Härtepunkte, das Spielende von draußen ansehen zu dürfen (nein, Auswechselspieler gibt es in United - noch - nicht. Warum nur?). Das sind also bei Härte 1 genau 0.0075 Rote Karten pro Spieler, bei Härte 10 ganze 0.075. Das ganze multiplizieren wir jetzt noch mit der Anzahl (10) der betroffenen Spieler, bei den Gelben Karten dann noch einmal mit 4, und erhalten schließlich die folgende Tabelle:

United3: Karten pro Härtepunkte
Härtepunkte:12345678910
EW (Rot):0.0750.1500.2250.3000.3750.4500.5250.6000.6750.750
EW (Gelb):0.3000.6000.9001.2001.5001.8002.1002.4002.7003.000

Das Bezugsobjekt in Oberfoul

Ja, da brauchen wir doch noch eine DI-Matrix. Ich habe gerade meine eigene (AUFSTIEG-)Matrix griff- (d. h. kopier-)bereit, also nehmen wir eben diese. (Für die alte Oberfoul-Matrix fehlen mir ja auch die Werte für 7 und 8 Strafen, das könnte meinen armen ATARI die ganze Nacht beschäftigen ...)

Und diese Matrix sieht folgendermaßen aus:

AUFSTIEG-Disziplinarmatrix
 0 1 2 3 4 5 6 7 8 910
00000112233
00001112234
00011122334
00011122344
00011223344
00111223345
00112233445
00112233445
01122334455
01223344556

Gerade fällt mir auf, daß diese Tabelle einen Effekt simulieren kann, für dessen Nachbildung die United3-Härteregel völlig ungeeignet ist: Die Verhängung von Gelben bzw. Roten Karten gegen eine fair spielende Mannschaft! 'Härte' ist ja schließlich nicht der einzige Grund, weshalb man einen Spieler verwarnen kann: da wären verbale Entgleisungen zu nennen, Schauspielerei, Spielverzögerung, absichtliches Handspiel, Aufbau einer Freistoßmauer in knapp 5 Meter Entfernung vom Tatort, blinde Schiedsrichter und vieles andere mehr. Die DI-Matrix von UNITED/ST würde es einem GM erlauben, auch bei Härte 0 eine (hoffentlich bescheidene) Anzahl von Strafen gegen ein Team verhängen zu lassen. Dieser Effekt wird bisher aber in keinem mir bekannten Ligasystem ausgenutzt.

Umrechnung in die Fremdwährung

Zurück zum Thema: Jetzt beginnt also die Umrechnung von Strafen in Härtepunkte, bzw. umgekehrt die Übersetzung von Härtepunkten über Strafen in Erwartungswerte von Karten. Auf geht's:

Das Ganze nun wieder in lesbarer Form:

Oberfoul: Karten pro Härtepunkte
Härtepunkte:12345678910
EW (Rot):0.0000.0100.0200.0580.0960.1480.2570.3700.5090.678
EW (Gelb):0.2000.5800.9601.2831.6061.9412.2752.5392.8513.092

Na endlich: wir haben vergleichbare Werte über die Härteauswirkungen beider United-Konzepte. Schnell noch die United3-Tabelle herunterkopieren:

United3: Karten pro Härtepunkte
Härtepunkte:12345678910
EW (Rot):0.0750.1500.2250.3000.3750.4500.5250.6000.6750.750
EW (Gelb):0.3000.6000.9001.2001.5001.8002.1002.4002.7003.000

Ein kurzer Vergleich fällt nicht schwer:

Um ein Versprechen einzulösen, das ich oben gegeben habe: Der Faktor 10-20 zwischen der Wahrscheinlichkeit von Gelb zu Rot liegt bei der besprochenen DI-Matrix im Bereich zwischen 4 und 7 Härtepunkten - und das ist auch genau das Maß an Härte, das ich den aktuellen Bundesliga-Clubs derzeit unterstelle.