Die überstarke Hintermannschaft

(Martin Ahlemeyer)

Im letzten United-Forum wurden einige alternative Formeln zur Auswertung von Torchancen vorgestellt. Die Originalregel läßt Hintermannschaft mit einer Stärke über 10 ja extrem gut werden, bis hin zum 14er Torwart, der außer Elfmetern nichts mehr durchläßt. Die vorgestellten Formeln haben alle ihre Nachteile. Entweder verändern sie die Effekte im Bereich bis zu 10 unzumutbar stark, oder sie sind hochkomplex und nur mit Computern auszuwerten.

Ich habe mich gewundert, daß Alan Parr selbst inzwischen eine andere, komplexe Formel verwendet. Vermutet hätte ich, daß die United-Traditionalisten dies verhindern würden. Die Effekte von Alans Formel sind vertretbar, meine ich, aber so schöne Sachen wie der Hintermannschafts-Kennwert fallen für den armen Manager ohne Computer natürlich weg.
Michael Schröpls Formel weicht meines Erachtens zu stark vom Original ab, und meine eigene Formel ist noch komplizierter als die von Alan Parr, wenn auch im Bereich bis Stärke 10 viel genauer.

Ich habe über das ganze Problem nochmal nachgedacht, und ich glaube, eine Lösung gefunden zu haben, die für jedermann akzeptabel sein sollte. Den mathematischen Hintergrund werde ich nur anreißen, er ist aber recht interessant.

Der Effekt eines Torwarts oder Ausputzers liegt in der Reduzierung der gegnerischen Chancenzahl. Zu jeder Stärke gehört ein Faktor, um den durchschnittlich die gegnerischen Chancen vermindert werden. Dieser Faktor entspricht der Wahrscheinlichkeit, daß ein Schuß den Hintermannschaftsspieler passiert. Torwart und Ausputzer ergänzen sich so, daß das Produkt ihrer beiden Faktoren einen Gesamtfaktor ergibt. So hat ein Torwart der Stärke 10 den Faktor 4/14, ein Ausputzer der Stärke 10 den Faktor 5/15, und der Gesamtfaktor ist 20/210. Eine anschauliche Größe ist der Kehrwert dieser Faktoren. Der gibt nämlich an, wieviele Chancen man im Schnitt braucht, um ein Tor zu erzielen. Gegen einen T 10 braucht man 3.5 Chancen, gegen einen A 10 3 Chancen und gegen beide zusammen 3 * 3.5 = 10.5 Chancen für ein Tor.

Das Problem der überstarken Hintermannschaft wird nun deutlich, wenn man diese Chancenzahl als Funktion der Stärke beschreibt. Im folgenden kümmere ich mich nur noch um den Torwart, der Ausputzer kann ganz analog behandelt werden.

Die Chancenzahl C, die man für ein Tor braucht, hängt von der Stärke S des Torwarts nach folgender Formel ab:

C = 14 / (14 - S)

Diese einfache Formel beschreibt nun aber leider eine Hyperbel, und das ist unser Problem. Für S = 14 ist die nicht definiert; anders ausgedrückt, man braucht unendlich viele Chancen, um ein Tor zu schießen. Schon vorher wird die Steigung ziemlich groß. Da der Effekt der gesamten Hintermannschaft das Produkt aus zwei solchen Hyperbeln ist, werden Stärken über 10 um so unerträglicher.

Die von Michael vorgeschlagene Formel entspricht demgegenüber einer Exponentialfunktion, die sich viel friedlicher verhält, weil sie für jeden Wert definiert ist. Leider weicht eine Exponentialfunktion von einer Hyperbel deutlich ab, so daß im Bereich bis Stärke 10 erhebliche Unterschiede auftreten. Alan Parrs Formel ist ebenso wie meine ein komplizierter Versuch, eine überall definierte Formel an den Verlauf der Hyperbel anzupassen. Theoretisch kann man beliebig nahe herankommen, aber das werden dann Formel-Ungeheuer. Ich habe in dieser Hinsicht einiges versucht. Mit einem Polynom 10. Grades kann man z. B. alle Funktionswerte C für Stärken von 0 bis 10 exakt (!) nachbilden.

Manchmal fällt es einem dann aber wie Schuppen aus den Haaren: Wieso eigentlich eine supertolle Formel suchen, wenn zwei einfache es noch besser tun?

Mit den Ergebnissen der Originalregel im Bereich bis Stärke 10 sind wir ja alle einverstanden, nehme ich an. Dann behalten wir sie doch gleich! Unzufrieden sind wir mit den Ergebnissen ab Stärke 11. Da nehmen wir dann eben eine andere Formel. Diese andere Formel sollte natürlich möglichst ebenso einfach und klar verständlich sein wie die Originalregel und mit ihr zusammenpassen, also ähnliche Strukturen der Hintermannschaft bevorzugen etc.

Die Originalregel bevorzugt eindeutig starke Spieler. Jeder zusätzliche Stärkepunkt bringt eine überproportionale Verbesserung des Chancenfaktors. Unsere neue Formel sollte das berücksichtigen, ohne aber so ins Extrem zu rutschen wie die Originalregel.

Beim Torwart ist der T 10 um den Faktor 1.25 besser als der T 9 (3.5 Chancen gegenüber 2.8 Chancen). Das ist für einen Stärkepunkt schon ganz nett. Lassen wir es doch dabei! Der T 11soll also ebenfalls um den Faktor 1.25 besser sein als der T 10 (4.375 Chancen pro Tor), und so weiter nach oben. Der folgende, extrem einfache und verständliche Mechanismus erzeugt diesen Effekt:

Regelvorschlag:

"Für jede auf den Torwart kommende Torchance wird ein Würfel mit 14 Seiten geworfen (also eine Zufallszahl zwischen 1 und 14 erzeugt). Sollte das Ergebnis höher sein als die Stufe des Torwarts oder höher als 10, so scheitert der erste Abwehrversuch des Torwarts.
Sollte die Stufe des Torwarts höher als 10 sein, so hat er für jede Stufe Differenz einen Versuch des Nachfassens. Dazu wird mit einem fünfseitigen Würfel geworfen. Bei einer 5 gelingt das Nachfassen, der Ball ist noch gehalten. In allen anderen Fällen wird ein Tor erzielt."

Einfach, praktisch, gut! Bei einem Ausputzer müßte der zusätzliche Würfel für die zusätzlichen Versuche übrigens sechs Seiten haben, wobei ebenfalls die höchste Zahl 'gewinnt'.

Die Auswirkungen sind bis Stärke 10 völlig identisch mit der Originalregel. Im folgenden die Prozentsätze und Chancenzahlen bis Stufe 18:

Stufe1112131415161718
hält77.143%81.714%85.371%88.297%90.639%92.510%94.008%95.206%
Chancen pro Tor4.3755.4696.8368.54510.68113.35116.68920.861

Ich finde, damit kann man leben.

Als mathematische Nachbemerkung: Ab Stufe 11 wird die Hyperbel durch eine Exponentialfunktion ersetzt.