Das Einspielenlassen von Talenten

(Michael Schröpl)

Es ist üblich geworden, daß Vereine, die sich in den ersten Runden einer Saison keine hohen Ziele gesetzt haben und daher einige Spiele freiwillig abschreiben können, anderen Vereinen anbieten, deren Talente einzuspielen. Solchen Vereinen ist es egal, ob sie ihre Spiele mit 1:5 oder mit 0:30 verlieren; für einen anständigen finanziellen Gewinn kann man das selten genug wichtige Torverhältnis ruhig opfern. (Ganz abgesehen von den Bargeldmodellvereinen, die dieses Verfahren bei ihrem freiwilligen Abstieg gleich mit erledigen.)

Ein Verein, der sich Talente einspielen läßt, kann dafür mit seiner stärksten Formation auflaufen. Gerade bei starken Teams, die vor dem Altern nahe an der 130-WP-Grenze waren und dabei wohl nicht nur uralte Spieler besitzen werden, werden auch die schwächsten Spieler, die für die Talente auf die Bank gewandert wären, Stufe 5-6, manchmal sogar Stufe 8 haben. Dazu noch ein Hintermannschaftstalent - gerade für die starken Vereine mit vielen Trainings-WP wichtig - und schon macht die Sache 20 WP Unterschied aus. 20 WP sind ganz erheblich mehr als normalerweise der Unterschied zwischen zwei Vereinen derselben Liga; wenn nichts Außergewöhnliches passiert (z. B. schreckliches Würfelpech), dann kann man davon ausgehen, daß ein Verein mit Einspielservice für drei Talente seine ersten vier Spiele ganz gut gewinnen kann. Oft wird der Service nur für ein oder zwei Talente in Anspruch genommen; aber selbst dies reicht schon für eine deutlich erhöhte Siegchance aus. Dabei ist zu berücksichtigen, daß nicht nur die WP-Masse in den ersten beiden Runden eine große Rolle spielt, sondern auch die 3:1-Regel sowie die Verpflichtung, in jede Reihe zwei Profis zu stellen. Wenn man ein wenig herumprobiert, dann wird man feststellen, daß mit zwei Feldspielertalenten nur noch 7 'richtige' Spieler übrigbleiben. Mit 3 * 8 = 24 Punkten im Sturm sieht eine Mannschaft gegen einen Gegner, der mindestens zwei Verteidiger aufstellen muß und höchstwahrscheinlich einen Ausputzer besitzt, ziemlich kläglich aus. Mit gar drei Feldspielertalenten ist die Lage noch viel schlimmer.

Betrachten wir eine Beispiel-Begegnung: Team A spielt seine Talente in T, V und S ein, Team B hat nur ein T- und ein V-Talent und einen Einspielvertrag. Alle restlichen Spieler haben die Stufe 8.

Team B, mit einem Mann 'mehr' auf dem Platz, stellt 0-8-16-32-16 auf. Was soll das Team A dagegen unternehmen? Die maximal erlaubte Sturmaufstellung ist 0-8-16-16-24, und die kommt nirgendwo durch. Im Mittelfeld ist mit 0-8-16-24-16 auch keine Torchance zu erzielen, nur in der Verteidigung kann man mit 0-8-24-16-16 zwei müde Schüßchen herausholen, während der Gegner in diesem für ihn gefährlichsten Fall immerhin 8 Torchancen hat. Eine so einseitige Chancenlage wird im späteren Verlauf der Saison bei 8 WP Stärkeunterschied kaum mehr auftreten.

Langsam glauben wir also, daß die Siegchancen eines Vereins mit 8 gegenüber 7 Feldspielern recht hoch sind und daß wir dem Verein 6:2 Punkte in den beiden Startrunden zutrauen müssen. Umgekehrt hat sich der Talente-Service-Verein damit abgefunden, die Saison mit 0:8 statt etwa 2:6 Punkten zu beginnen. Spielt also ein Verein ein Talent eines anderen Vereins ein, dann kommt in etwa plus/minus Null dabei heraus. Mehr als die angestrebten zwei Punkte kann der Service-Club nicht verlieren; er kann aber noch anderen Vereinen zum Gewinn von Spielen und damit vor allem zum Erwerb von Trainings-WP verhelfen. Die Bilanz lautet: Die Summe der eingespielten WP aller Kunden eines Service-Vereins plus die des Vereins selbst ist nach dem Einspielen höher als ohne dieses Handelspaket. Der Gewinn kann geteilt werden; zahlen müssen diesen Überschuß die Gegner der so verstärkten Vereine.

Interessanterweise bewirkt dies übrigens, daß alle guten Vereine diesen Service haben wollen, um der direkten Konkurrenz 'Wert' abzuknöpfen - was sowohl die Preise in die Höhe treibt als auch den Gewinn der Kunden drückt, die nun eher auf 'Gleichgesinnte' treffen können. Je mehr der Service-Mann die Werbetrommel rührt, desto besser sahnt er ab. Verschiedene Service-Vereine, die sich nicht gegenseitig unterbieten, können ihre Kunden dabei ganz gut ausnehmen. Wenn man Pech hat, trifft man immer auf andere Kunden und hat für seine Kosten nicht gewonnen.

Auch aus einem anderen Blickwinkel gesehen gibt es einen 'Wert'-Schöpfungsprozeß: Wenn man subjektive Wertberechnungen durchführt, wird man schnell feststellen, daß die Summe beider bzw. aller Stärken der beteiligten Teams in diesen zwei Runden mit Service höher ist als ohne ihn. Der Service-Verein setzt nämlich im Schnitt schwächere Spieler auf die Bank als der Kunde. Diesem Effekt wird allerdings dadurch entgegengewirkt, daß bei drei Kunden für einen Service-Verein der Service-Verein seine Spieler Nr. 6, 7 und 8 (sortiert nach Stärken) auf die Bank setzen muß, die Kunden dagegen jeweils nur ihren neuntbesten Spieler, der eventuell schon schlechter ist (irgendwelche guten Leute muß ja auch der Service-Mann besitzen). Um auch diesen Effekt zu berücksichtigen, verleiht der Service-Mann die betreffenden Spieler für zwei Runden an die Kunden (ein geeignetes Geld-Pfand wird sich finden lassen) und tauscht sie bei der Rückgabe der Talente gegen gleichwertige Spieler um.

Alles in allem hört man sicher aus meiner Beschreibung heraus, daß mir die Sache zusagt. Das Einspielenlassen von Talenten führt zu einer ganzen Reihe von interessanten Überlegungen, und der Wertschöpfungsprozeß ist nirgendwo so deutlich zu erkennen wie hier, wo zwei Vereine für denselben Effekt unterschiedlich große Opfer bringen müssen.

Leider ist der Talenteinspielhandel von den Bargeld-Künstlern in einen ziemlich schlechten Ruf gebracht worden. Es ist eben nicht jedermanns Sache, gegen einen Verein anzutreten, der mit 11 neuen Talenten antritt - das war nach United3-Regeln gang und gäbe. Die 'Realos' unter den United-Managern fordern das Verbot von 'Schülermannschaften' in der Bundesliga, und die 'Spieltheoretiker' fürchten Langeweile im Abstiegskampf, wenn ein oder gar zwei Vereine mit solchen Machenschaften die Liga programmiert verlassen. Daher sind im Regelsystem von Oberfoul gegen das Bargeldmodell mehrere Schranken eingebaut worden, die zwar einzeln allesamt überwunden werden können, die Sache aber so erschweren, daß sich die Zahl der Cash-Teams inzwischen in Grenzen hält:

Die Grundmechanismen sind also allesamt noch möglich; die Ausuferungen dagegen wurden systematisch beschnitten.

Ich finde die Begrenzung auf maximal 6 Talente pro Verein sehr viel schöner als ein totales Verbot des Einspielhandels. Das Verbot streicht die ganze Palette der Möglichkeiten weg, die Einschränkung dagegen zwingt die Manager dazu, nachzudenken, was für sie am sinnvollsten ist. Da man eingespielte Talente bereits in Runde 2 oder spätestens in Runde 3 vor dem Training zurückgeben will, sind mehr als 3 solche Talente ohne Einschränkungen ohnehin unmöglich (wegen der Handelssperre von 4 Runden). Also werden normalerweise die vom Service-Verein selbst entdeckten Talente zurückgegeben, und das sind ja bekanntlich nur 3 Stück.