Ein neues United-Forum?

(Michael Schröpl für Interzine '91.10', 1991-10-06)

Mit nunmehr einem Jahr Abstand kann ich die Ideen und Ziele, die das United-Forum damals verfolgen sollte, Revue passieren lassen. Es stellt sich ja die Frage, was in einem gewünschten neuen Heft denn so stehen sollte.

Forschung

Die Analyse von grundlegenden Sachverhalten des Spieles war für mich der Motor, das Zine ins Leben zu rufen und zahlreiche Artikel dafür zu schreiben. Die wesentlichen Erkenntnisse, die ich in Erinnerung habe, sind

Alle diese Artikel lagen in Heft 2 bis 6 des United-Forums. Zu erwähnen wäre für Neulinge wohl noch die Beschreibung des Bargeldmodells in Heft 8, was etliche Leser aber bereits selbst in OBERFOUL erlebt hatten. Danach kam eigentlich nichts Neues mehr - jedenfalls für mich. Und nach wie vor möchte ich jedem, der sich alte Hefte besorgt, diese Artikel besonders zur Lektüre empfehlen. (Nicht verzweifeln, wenn sie etwas trocken klingen und die Zahlen einen erschlagen! Einfach nochmal lesen.) Solange die Grundlagen nicht 'sitzen', kann man sich einfach nicht über Details unterhalten (wobei ich in den Artikeln versucht habe, 'Fachbegriffe' zu prägen.)

Würde es grundlegend neue Erkenntnisse geben, dann würde ich einen Bedarf sehen, einen neuen Artikel darüber zu schreiben (in dem angedeuteten Heft 16 oder direkt im Interzine). Das einzige, was ich den damaligen Artikeln heutzutage nachschicken möchte, ist ein sehr berechtigter Einwand von Stefan Frey gegen die Allgemeinheit der RWP-Gleichbewertung: Die Theorie sagt nichts über den Zeitpunkt aus, zu dem die RWP ihre Wirkung haben. Theoretisch sind ein S I 10 und ein S nT 10 (23) also gleich viel wert. Praktisch aber legt der Käufer des zweitgenannten Spielers je nach Marktlage zwei bis vier Millionen für ein Jahr an und verstärkt sich dadurch nicht sofort. Wenn er zu den stärksten Vereinen seines Ligasystems gehört, wird er sich das vielleicht leisten können (wenn er auch so 130 WP erreicht, ist es sogar ein guter Zug, besonders wenn er das Geld dadurch eventuell vor der Steuer schützt). Spielt er aber um den Klassenerhalt in der untersten Liga, dann ist dieser Kauf eine interessante Selbstmordmethode. Stefan schlägt daher vor, zukünftige WP abzuwerten, etwa um 10% pro Saison oder um 1% pro Runde (was etwas dasselbe ist). Ich habe Robert Gunst angespitzt, letzteres in der nächsten Version von UUH zu berücksichtigen.

Einige Leser basteln inzwischen auf der Basis von Spiel-WP weiter, was aber außer geringfügig korrekteren Werten keine revolutionären neuen Erkenntnisse bringt. Von der 'wissenschaftlichen' Seite liegt also nichts an, was ein neues Heft erfordern würde. Und gäbe es etwas, dann sollte es gefälligst im Interzine erscheinen (länger als 10 Seiten waren meine Artikel ja auch nicht).

Regelklärung und -einigung

Ich habe in zahlreichen Heften Regel-Detailfragen aufgeworfen, die nach meiner Ansicht weder in UNITED3 noch in OBERFOUL überzeugend oder gar überhaupt geklärt sind. Leider haben sich hierzu nur einzelne wackere Leser geäußert, die zum Teil nicht einmal GMs sind, während zahlreiche GMs als Leser den Mund gehalten haben. Das hat natürlich dazu geführt, daß einige dieser Lücken bis heute nicht geschlossen sind, daß mir bei anderen aber der Kragen geplatzt ist (Stichwort: TFL-Mafia) und ich eine Lösung in meinem eigenen Ligasystem durchgebracht habe.

Die Regeln zu AUFSTIEG von 1991 sind mit 36 Seiten sicher die an Details vollständigsten, die es je zu United gegeben hat. (Was keineswegs heißt, daß sie die besten sind.) Zu diesen 36 Seiten gehören allerdings

Das sind alles Dinge, über die sich noch OBERFOUL völlig ausschwieg. Es ist also nicht etwa so, daß ich nur die in UNITED3 beschriebenen Grundregeln exzessiv detaillierter dargestellt hätte.
Dieser Gewaltakt mußte aber offenbar sein, denn einerseits habe ich die meisten dieser Zusätze aufgrund von Ereignissen in meiner Partie AUFSTIEG erfaßt und andererseits hat inzwischen ein halbes Dutzend GMs (meist bei neu gestarteten Ligasystemen) seine Regeln auf der Grundlage der AUFSTIEG-Regeln formuliert. Ähnlich wie bei den Programmen (siehe unten) ist wohl auch hier die Tendenz festzustellen, daß sich die Leute nicht überzeugen lassen, wenn man etwas anpreist - aber wenn alle (oder zumindest einige) mitmachen, dann will man vielleicht auch mal schauen, was da läuft. Mir ist letzteres natürlich auch nicht unrecht - es zählt alleine der Effekt. (Sollte jemand die AUFSTIEG-Regeln in rechnerlesbarer Form - Atari/Wordplus oder PC/ASCII - haben wollen, verschicke ich gerne entsprechende Disketten, solange mich dies selbst nichts kostet.)
Umgekehrt wüßte ich gerne von jedem, der meine Regel gelesen hat, was ihn daran stört (es sind noch ein paar kleine Fehlerchen drin). Und diese Regelfassung 'lebt' genauso wie meine Programme, denn sie wird in einer laufenden Partie von mir als GM benötigt.

Die Einigungsphase, so sie denn nun begonnen haben sollte, hatte ich mir zwar ganz anders (viel demokratischer) vorgestellt, aber andererseits sollte ich an dieser Stelle wieder einmal Lukas Kautzsch klonen, der eine Diktator eines vernünftigen Diktators schon öfters als wünschenswerte Regierungsform proklamiert hat. Und ich glaube, daß ich meinem Ziel durch das United-Forum durchaus näher gekommen bin; wenn jetzt also jemand eine noch 'einigere' United-Regel haben will, dann muß er selbst mit der Arbeit anfangen. Detail-Diskussionen hätten damals wohl im Agora weitergeführt werden müssen, das allerdings ebenfalls mangels Beteiligung sanft entschlummert ist (oder wie, Mike Merten?). Im Interzine solche Diskussionen zu führen, würde einige Leser vielleicht nerven; auf entsprechende Briefe würde ich allerdings durchaus direkt antworten.

Programme

United ist ein Spiel, das im Wesentlichen durch Zahlen beschrieben werden kann. Zur Verarbeitung von großen Zahlenmengen bieten sich Programme aber einfach an (weit mehr als etwa zur Auswertung von Diplomacy).

Daher - und weil ich selbst von Berufs wegen mit Programmen ständig zu tun habe - habe ich die Verwaltung dieser Zahlenmassen durch Programme vorgeschlagen und über jedes Programm, das in dieser Richtung interessant erschien, berichtet. UNITED/XY und TEAMCHEF haben in Sachen Verbreitung sicher davon profitiert, in dieser Breite beschrieben worden zu sein; umgekehrt sind durch die Verwendung dieser Programme den Autoren zahlreiche neue Ideen überliefert worden. Und durch Artikel im United-Forum sind auch Ideen für eigene Programme aufgekommen; ich könnte mir die Erstellung meines GM-Angebots (den interessantesten Teil des gesamten GMings) ohne die Hilfe von UUH heute gar nicht mehr vorstellen (per Hand würde es Wochen dauern, diese Daten zu ermitteln).

Der Nachfolger dieser Funktion ist allerdings gefunden: Die 'Compi-Corner' im Interzine, in der über entsprechende Ereignisse berichtet wird.

Varianten und Variationen

Die Zeit hat mich auch hier belehrt, daß man über Varianten eigentlich gar nicht zu diskutieren braucht: Wenn jemand ein von United abweichendes Spiel entwerfen will, dann tut er dies einfach (siehe Lew Jaschin und Cash Liga).
Interessanter war schon die Analyse der Wirkung von Variationen. Dabei wollte ich den Wert vor allem auf Analysemethoden legen, nicht auf die konkreten Ergebnisse der Analyse selbst. Daß etwa Detlef Kamlahs komplexes Zuschauermodell praktisch genau dieselben Werte wie die United3-Regel liefert, ist eine beruhigende, aber nicht sensationelle Feststellung. Für sensationell hätte ich es gehalten, wenn ein GM eine geplante Änderung vorher in ähnlicher Art und Weise durchgerechnet hätte - in dieser Richtung ist mir nichts bekannt geworden. (Was leider immer mal wieder zu netten Szenario-Katastrophen führen kann und wird.)

Hier war mein persönliches Interesse klar größer als das der Masse; wenn hierfür also kein Nachfolger gefunden werden kann, dürfte das nur wenige Leser stören.

Statistik aller Art

Tabellen sind für mich in gewissem Sinne manchmal ein Selbstzweck, oft aber 'nur' eine umfassende Beschreibung eines Zustandes, den man aus der Nähe nicht klar genug erfassen kann. So war die Rückseite des United-Forums für mich ein wirkliches Bild der United-Szene, was etwa die Akzeptanz von OBERFOUL und UNITED/ST, die Größe der Ligasysteme, die verwendeten WP-Szenarien usw. betrifft. Hätte ich diese Daten nicht gehabt, dann wäre ein Artikel etwa über den "FC Stan Dard" unmöglich gewesen, da dieser eine in vielen Ligasystemen verwendete 'Umwelt' voraussetzte, um relevante Ergebnisse liefern zu können.

Die Statistiken sind heute natürlich nicht mehr aktuell; ich bekomme nicht genügend Feedback (außer von meinen AUFSTIEG-Managern), um Bescheid zu wissen. Ob es da vielleicht im Dunstkreis des Karlsruher pbm-Papstes einenrührigen United-Freak geben könnte, der aus den vielen Trades die entsprechenden Daten filtern könnte?

Allgemeine Artikel rund um United

Dies sollte ein Leckerbissen für die Leser (und nicht zuletzt für den Herausgeber!) sein. Da ich selbst ohne zielgerichtetes Konzept nur schlecht schreiben kann, fiel ich als Autor dafür praktisch aus; als ich es doch versuchte (die "Sing-Sing-Story"), stieß das 'Werk' auf sehr unterschiedliche Akzeptanz. Die Gast-Autoren ließen allerdings zu unregelmäßig etwas von sich hören, um das Konzept des United-Forums weiterhin darauf abzustützen.

Allgemeine Artikel dieser Art würden im Interzine nicht nur geduldet, sondern sehnsüchtig erwartet. Also?

Leserbriefe

Diese Rubrik (die eigentlich alle obigen zum Teil umfaßt) vermisse ich heute am meisten. Hier konnten die Leser Detailfragen stellen und Detailansichten zum Besten geben, also im besten Sinne diskutieren.

Der Umfang der Leserbriefe plus meine Antworten umfaßten oftmals 10 Seiten und mehr; das wäre für eine Interzine-Rubrik etwas viel. Andererseits glaube ich, daß heutzutage (wenn die potenziellen Briefeschreiber vorher die United-Forum-Hefte und ggf. die AUFSTIEG-Regeln gelesen haben) nicht mehr so viele Detailfragen anstehen sollten.
Wenn also in diesem Sinne Zuschriften kommen würden, dann könnte ich mir mich als Verwalter einer (unregelmäßigen) Rubrik 'United' im Interzine durchaus vorstellen.

Fazit

Das United-Forum in seiner ursprünglichen Form wäre heute nicht mehr zeitgemäß. Einige Teilbereiche habe sich erschöpft, andere könnten bei entsprechendem Interesse im Interzine weitergeführt werden.
Wenn also dennoch nichts passiert, dann hat das immer noch dieselbe Ursache wie die damalige Einstellung des United-Forums: Es wollen zu wenige Leute selber etwas schreiben. Daß wenige Leute grundlegende Antworten zu verkaufen haben, das sehe ich ja durchaus ein - aber wenn niemand seine 'Sehnsucht' nach einem neuen United-Forum in konkrete Wünsche und Fragen kleiden kann, dann war es völlig richtig, die 'träge Masse' nicht weiter zu hofieren. Wenn keiner mitmacht, macht es mir auch keinen Spaß.